“Lernen ist wie ein Wald.“
Im Stadtteilladen der Grafschafter Diakonie fand Pädagoge Friedhelm Mergen nach schwierigen Jahren zu seiner Berufung zurück
Hausaufgaben sind bei Kindern oft nicht beliebt. Warum es sich lohnt, diese trotzdem zu erledigen, erklärt ihnen Friedhelm Mergen auf besondere Art: Lernen ist wie ein Wald. Geht man immer wieder durch das Dickicht, bilden sich Wege und man kann sein Ziel gut erreichen: „Den Kindern leuchtet das ein“, sagt Friedhelm Mergen. Der 65-Jährige hat an einem der Tische gegenüber der Tafel Platz genommen. Gleich werden die ersten der rund 15 Grundschüler den Raum im Untergeschoss des Regenbogenhauses der Grafschafter Diakonie, dem Diakonischen Werk im Kirchenkreis Moers, betreten. Unterstützt von Mergen und weiteren Kolleginnen und Kollegen machen sie dort ihre Hausaufgaben. Auf der To-Do-Liste der nächsten zwei Stunden befindet sich alles, was in den in den Klassen eins bis vier auf dem Lehrplan steht: Zahlenfolgen erkennen, leichte Additionen, Worte buchstabieren, für das Diktat üben. An diesem Nachmittag hilft Rauia dabei. Das 16-jährige Mädchen jobbt neben der Schule als Betreuungskraft im Stadtteilladen. Die dortigen Hausaufgabennachmittage hat sie als Grundschulkind selber besucht. Friedhelm Mergen unterstützte sie damals dabei. „Mit ihm hat es Spaß gemacht“, blickt sie zurück.
Der Mitarbeiter des Stadtteilladens blickt ernst. „Hier habe ich meine Berufung wiedergefunden.“ Seit dem Jahr 2008 ist er als Betreuungskraft bei dem Nachmittagsangebot für die Rheinhauser Grundschulkinder tätig. Damals lagen schwierige Jahre hinter ihm. Nach dem Lehramtsstudium in den Fächern Deutsch und Philosophie fand er an der Schule keine Anstellung. Aufgrund einer Suchterkrankung blieb dies auch so. Nachdem die Krankheit überwunden war, fand er über eine Wiedereingliederungsmaßnahme des Arbeitsamts zur Grafschafter Diakonie. Nebenher half er beim Betreuungsverein der Diakonie im Kirchenkreis Moers aus, führte Konten der Klienten und brachte Behördenanträge auf den Weg. Auch das war eine gute Aufgabe, doch die Arbeit im Stadtteilladen war es noch mehr.
„Wenn ich merke, dass ein Kind etwas begriffen hat, erfüllt mich das mit Freude“, sagt er. Der Hobbygitarrist, der in seiner Freizeit großformatige Bilder malt, unterstützt die Kinder, sich in der Welt zurechtzufinden, sich zu entwickeln, Zusammenhänge zu begreifen und über den Tellerrand des Klassenzimmers hinauszublicken. Wie groß ist die Sonne? Warum haben manche Menschen eine dunkle Haut? Die Fragen der Kinder greift der engagierte Pädagoge gerne auf. Als plastische Antwort auf diese hat er schon spontan eine Weltkarte an die Tafel gezeichnet oder ein Planetensystem mit Sonne, Erde und Mond. Die kreativen Exkurse dankten die Kinder mit ihrer Begeisterung. Auch deshalb bedauert er, dass er derzeit seine letzten Wochen im Stadtteilladen verbringt. „Ich freue mich jedoch auch auf den wohlverdienten Ruhestand, da ich dann mehr Zeit für meine Hobbys haben werde“, lächelt er.
Im Stadtteilladen läuft derweil die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin. Wer sich für eine Tätigkeit als Hausaufgaben-Betreuungskraft interessiert, bekommt Informationen bei Nilüfer Yildirim, Telefon: 02065 764648