„Geld pflegt nicht!“

Zahlen, Daten, Fakten

Eine examinierte Altenpflegekraft mit dreijähriger Ausbildung verdiente nach Tarif als Berufseinsteigerin im öffentlichen Dienst Anfang 2023 2.932,41 Euro monatlich brutto. Nach dem Tarifabschluss Anfang des Jahres erhielt sie oder er rückwirkend ab 1. Januar 2023 bis 30. Juni 2023 1.240 Euro netto Inflationsausgleichsgeld und vom Juli 2023 bis Februar 2024 monatlich 220 Euro netto mehr. Ab dem 1. März 2024 steigt das monatliche Bruttogehalt auf 3.304,69 Euro. Das sind dann 12,7 Prozent und 327,54 Euro mehr.

Pflege-Azubis sind in Sachen Vergütung Spitzenreiter im Branchenvergleich. Rund 1.200 Euro pro Monat verdienen sie im ersten Lehrjahr. Da können lediglich die privaten Banken mit Mühe mithalten. Im kommenden Jahr kommen noch einmal 150 Euro dazu.

Seit dem 1. Mai 2023 gelten in der Pflege folgende Mindestlöhne: Pflegefachkräfte erhalten 17,65 Euro pro Stunde. Für Pflegekräfte mit einer mindestens einjährigen Ausbildung und einer entsprechenden Tätigkeit beträgt das Mindestentgelt 14,90 Euro pro Stunde und für Pflegehilfskräfte 13,90 Euro pro Stunde. Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland liegt – nach jahrelangem Kampf der Gewerkschaften - bei 12 Euro und wird zum Jahresbeginn 2024 auf 12,41 Euro steigen.

Das Bundesministerium für Gesundheit ging zum Jahresbeginn 2023 von bis zu 30 Prozent Gehaltsteigerung bei fast der Hälfte aller Pflegebetriebe aus.

Rückgang der Bewerberzahlen

Die Bewerber*innen müssten also Schlange stehen und die Unternehmen endlich die dringend notwendigen Fachkräfte rekrutieren können.  Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Das statistische Bundesamt meldet für das Jahr 2022 erstmals einen Rückgang der besetzten Ausbildungsplätze in der Pflege um rund 7 Prozent. Manche Pflegeschulen melden aktuell sogar einen Bewerberrückgang von fast 30 Prozent.

Geld allein reicht nicht

Der Nachwuchs bleibt aus und die Stammbelegschaft schrumpft. Bundesweit werden in den kommenden 10 – 12 Jahren 500.000 Pflegekräfte das Rentenalter erreichen. Über Geld gegenzusteuern erweist sich (mal wieder?) als Rohrkrepierer. Im März 2023 schrieb ein großes deutsches Nachrichtenmagazin schon von einem „Kostenschock durch Tariflöhne und Inflation“. Dabei ist das Ende der Fahnenstange noch längst nicht erreicht. Hochrechnungen aus dem Kreis der Arbeitgeber in der Ruhrgebietskonferenz-Pflege zeigen, dass die Kostenentwicklung ungebremst nach oben zeigt. „Unternehmen, die aktuell Pflegesatzverhandlungen für 2024 vorbereiten, melden uns zurück, dass die Eigenanteile im kommenden Jahr noch einmal um bis zu 48 % steigen werden“, berichtet Roland Weigel, Koordinator der Ruhrgebietskonferenz-Pflege. Mit den Mehrkosten ist aber keine Leistungsverbesserung oder sogar eine bessere Personalausstattung verbunden. Roland Weigel: „Mit den erhöhten Entgelten wird lediglich der Status Quo vergütet.“

Es ist gut, dass Pflegekräfte mehr verdienen…

Den Unternehmen fällt es zunehmend schwer, diesen Status Quo noch aufrecht zu erhalten. Für die Ruhrgebietskonferenz-Pflege hilft da nur ein grundlegender Systemwechsel, wie ihn die Arbeitgeber schon seit langer Zeit fordern. Für Ulrich Christofczik, Vorstand des Christophoruswerkes und der Evangelischen Altenhilfe in Duisburg hat sich gezeigt, „dass über Gehaltssteigerungen Image und Attraktivität der Pflege nicht verbessert werden können. Es ist gut, dass Pflegekräfte jetzt mehr verdienen, aber um die Attraktivität zu verbessern, braucht Deutschland einen neuen gesellschaftlichen Umgang mit der Pflege und eine grundlegende Neuausrichtung der Pflegepolitik.“

Mehr Wagnis wagen

Thomas Eisenreich – vom bundesweit tätigen Betreuungsdienstleister Home Instead - macht sich deshalb schon länger als Sprecher der Ruhrgebietskonferenz-Pflege für die Einführung eines persönlichen Pflege- und Betreuungsbudgets stark, das nicht aus einem unübersichtlichen Kostenträger-Mix gespeist wird. Außerdem fordert er mehr Freiraum für individuelle unternehmerische Lösungen: „Statt Verordnungen und Gesetze braucht es die Möglichkeit, regional und zielgruppenspezifisch neue Ansätze zu probieren und zu etablieren, ohne permanentes Anecken an den ordnungsrechtlichen, baurechtlichen und sonstigen Vorgaben. Wir sollten mehr Wagnis wagen und auf die Kompetenzen der Träger vertrauen.“

Innovations- und Investitionsfond auflegen

Roland Weigel fordert so etwas wie eine „Zeitwende“ für die Pflege: „Um die Arbeitsbedingungen in der Langzeitpflege attraktiver zu machen, brauchen wir einen Innovations- und Investitionsfond, mit dem moderne Technik und klimafreundliche – und damit hitzeresiliente – Arbeits- und Wohnorte realisiert werden können.“ Silke Gerling ergänzt abschließend den Kanon der Vorschläge und Forderungen der Ruhrgebietskonferenz-Pflege: „Gesundheit und Pflege sollten stärker in den Schulen präsent gemacht werden und nicht zuletzt brauchen wir einen systematisch unterstützten Zuzug von ausländischen Arbeitskräften in das Berufsfeld Pflege.“    

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